Ein traditioneller Ashram im Himalaya – heute 2023

Seit vielen Jahren reise ich nach Ganeshpur, in diesen kleinen, entlegenen und familiär anmutenden Sivananda Ashram direkt am Ganges – immer wieder. Was passiert da eigentlich? Dieses Mal möchte ich dieser Frage etwas mehr Raum im Blog geben und alle anderen Abschnitte dieser Reise im Herbst 2023 mehr durch die Bilder sprechen lassen. Indien befindet sich derzeit in einem rasant vonstatten gehenden, schier unglaublichen Wandel. Selbst wenn mein letzter Aufenthalt nur 6 Monate zurück liegt, ist das zu spüren und zu sehen.

Zurück zum Ashram: wie sieht ein Tag im Ashram aus? Menschen treffen sich und praktizieren gemeinsam, jeden Morgen um 5 Uhr die Morning Prayers. Das bedeutet, aufstehen gegen 4.15, duschen – nur früh am Morgen werden die Warmwasserboiler aktiviert. Es werden eine gute Stunde lang eine Sammlung von traditionellen Texten – die verwurzelt sind in den Schriften, wie den Upanishaden, zusammengestellt von Swami Premananda – singend mit spürbarer Hingabe rezitiert. Diese Praxis ermöglicht dem Sadhaka – das ist ein Mensch, der einem bestimmten Sādhanā oder einer Lebensweise folgt – spirituelle Öffnung und Unterstützung in dessen Weiterentwicklung. Leichter geht es mit dem richtigen Mindset, das man ja bekanntlich immer braucht. Wenn bereits so früh alle zusammen kommen – Alt und Jung, Mann und Frau, Swamis und Gäste – erlebe ich das als sehr beeindruckend. Es ist eine lebendige Gemeinschaft, geteiltes Leben, Sorgen und Lachen, neben Ernsthaftigkeit und Disziplin, Anerkennung und Freude. Erkenntnisse werden durchs Erleben gewonnen – im Sein, das Herz wird berührt. Nicht selten erreichen Menschen von weit her angereist den Ashram, und schlafen erstmal ein paar Tage aus. Es fällt ohne irgendetwas tun zu müssen soviel ab, und es zeigt sich oft Unerwartetes im ruhig werden des Geistes. Das offene SEIN als Möglichkeit und Unterstützung auf dem Weg der Erkenntnis mit offenem und weiten Herzen. Was für eine Option.

Dauerhaftes Glück finden – geht das? Alle Lebensbereiche werden hier berührt, auch wenn hier sonst weitestgehend bewusst auf Berührungen verzichtet wird. Beispielsweise das simple Ashram Essen: bereits nach drei Tagen sinken die Erwartungen und was bleibt, ist das Wissen, mit gutem frischem, sattvigem Essen optimal versorgt zu werden. Es ist eine Ruhe, die in den Körper einzieht, die jeglichen Reizen ausweicht, sie nicht mehr sucht. Der Geist ruht sich in der Gleichmäßigkeit der Nahrung aus. Das Hirn wird nicht unnötig beansprucht mit Auswahl, Genuss und (Un-)Verträglichkeiten. Alles läuft in einem moderaten Modus. Es bedarf nicht viel. Für viele Bewohner ist es dort normal nur 2x täglich zu essen – Mit Dankbarkeit dafür. Selbst das Spülen des Tellers nach dem Essen wird zum Achtsamkeitsakt: wie klar das Wasser den Teller reinigt, nahezu spurlos vorübergehend, bleibt es diesen zum Trocknen zurückzustellen und den Nachkommenden zur Verfügung zu stellen.

Den Vedanta philosophischen Höhepunkt des Tages gibt es am Vormittag mit Swamiji und der Yoga Vashishta. Seine Lectures werden parallel live übertragen und auch auf Youtube findest du sie. Speziell Sonntags gibt es die Lecture in Englisch und sonst in Hindi und Englisch. Zumeist rezitiert er einen Vers aus der Yoga Vashishta und beginnt dann möglichst praxisnah, einfach und verständlich mittels Vergleiche zu erklären. Und auch zu erzählen, was er selbst erlebt hat mit Swami Sivananda, mit Swami Chidananda persönlich, oder er bringt Beispiele aus anderen Vedischen Geschichten und dem was wir täglich ohnehin erleben. Fragen wie: Was bringt dauerhaftes Glück? “One in Many – Many in One” – wie ist das zu verstehen? Welche praktischen Möglichkeiten gibt es one-pointed Attention zu erreichen? Welches Potential liegt darin Mantra Yoga zu praktizieren? Jedes Wort hat eine Form, auch im geschriebenen Wort liegt die Form dahinter, und jede Form hat soviel Power, besonders wenn es sich um Mantras handelt.

Gedankensprung. Jede Yogastunde beginnen wir auch in Österreich mit Mantras und schließen wir mit Mantras. Nehmen wir das OHM Trayambakam als eines der kraftvollsten, welche alle Hindernisse aus dem Weg räumt, gleichzeitig ein Gesundheits-Support ist und damit tröstend, aufbauend und heilend wirkt, Erkenntnisse ermöglicht. Mit Hingabe praktiziert potenziert sich die Wirkung.

Auf Swamijis Tisch steht eine Thermoskanne mit Chai, neben der Schrift der Yoga Vashishta, und es liegt in getrockneter Form ein Kraut – Ganga Tulsi – griffbereit, woran man riechen kann und sofort mit mehr Sauerstoff versorgt wird als in der Umgebungsluft vorhanden ist. Alles greift hier natürlich ineinander. Sehr gern greife auch ich darauf zurück, wenn ich auf 3000 Höhenmetern unterwegs bin.

Dann genug Zeit zum Kontemplieren, zum Spazieren-gehen in den umliegenden Bergdörfern über Felder und entlang des Wassers oder einfach nur zum Ausruhen oder aber zum am Fluss sitzen. Des heiligen Wassers in Form des Flusses Ganges – Mother Ganga. Auch ein Bad im Ganges ist um die Mittagszeit eine Option, die ich gern nutze. Schließlich geht man als Frau bekleidet ins Wasser, da ist es nicht ganz so kalt. Betrachtet man den Gesamtaufenthalt dort ist das Bad ein Puzzlestein, die Erfahrung zu vertiefen oder zu ermöglichen. Überwältigend sind Fürsorge, Demut und Herzenswärme im Umgang miteinander.

Der Ashram ist ein funktionierender Mikroorganismus. Suchende kommen und gehen, bleiben kurz oder lang, nicht selten länger als geplant, ein Platz wo auch Pläne durcheinander kommen können. Das kenne ich gut und es ist immer eine Übung, das als solches anzunehmen. Ein Ort an dem alle herzlich empfangen werden, man bleibt Tage, Wochen, Monate oder Jahre. Der Ashram ist auch für das Dorf ein Platz der Begegnung ein lebendiger spiritueller Platz, der geschätzt wird und dem Bedeutung im Miteinander der Gesellschaft zukommt. Das ist etwas, was den weltlich Lebenden mit den Swamis vereint.

Am späten Nachmittag treffen sich alle wieder zum Satsang, was man auch übersetzen kann als ein “Zusammensein mit Heiligen”, um die Abendgebete zu singen. Auch da wieder mit jungen Menschen, Mädels und Burschen aus dem Dorf, die täglich dabei sind. Swamiji beobachtet sie genau und unterweist sie so, dass sie ganz dabei sind mit Freude und Genauigkeit. Nach dem Abendessen nahm sich Swamiji erneut die Zeit, sich mit den Gästen zusammen zu setzen, um Fragen zu beantworten – inspirierende Gedanken zur guten Nacht könnte man es nennen. Eine Einladung über Dinge nachzudenken, denen sonst zu wenig oder gar kein Raum gegeben wird, um das eigene Alltagsleben zu adaptieren, Neu-verstandenes zu integrieren oder zu beginnen. JETZT, und dabei gleichzeitig geduldig sein – jeden Tag neu. Gegen 22 Uhr, immer noch lauschend, sagt Swamiji dann wohlwollend zu uns, ihr seid jetzt müde, es ist gut jetzt zu schlafen. Und ja auch die Träume sind anders an diesem Platz, wo das Rauschen des kraftvollen Flusses nicht abzustellen ist, der eine oder andere innere Kampf nachts ausgefochten wird, Rüstungen abfallen und der Weg zum Kern des Selbst im Herzen sich zeigen kann. Dabei betont Swamiji immer wieder, dass sein Sein nur durch Gurudevs Gnade möglich ist und derselbe durch ihn hindurch spricht. Diese Magie ist spürbar, präsent und wunderbar.

Das Ashramleben in Ganeshpur ist so integrierend und gemeinschaftlich, dass ich dieses mal nur darüber berichtet habe. Auf unserer Reise gab es am Weg kurze zwei-tägige Stops in Rishikesh, wo ich dankbar auch ein paar Iyengar-Stunden bei meiner Lehrerin Usha Devi nehmen konnte. Weiterentwicklung im Detail würde ich das bezeichnen.

Erfüllt, Gehirn-gewaschen und mit viel Licht im Gepäck und Freude geht es zurück nach Österreich ins natürliche SEIN, in allen Formen denen es hier bedarf.

Be good – Do good

Swami Sivananda

Ich danke allen herzlichst, die diese Reise, so wie sie war, auf die eine oder andere Weise möglich gemacht haben. Das hier niedergeschriebene ist meine ganz persönliche Reflektion auf diesen wundervollen Ort ohne Anspruch auf Vollständigkeit und allumfassende Wahrheit.

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