Ankommen
Das Lesachtal – gefühlt am Ende der Welt – erreicht, ein Zimmer im Kloster bezogen und eine erste Entdeckungsrunde entlang der Strada dei mulini gedreht. Staunend stehen bleiben und schauen wie es sich dreht, das Rad- die Räder. Nahezu unbewegt im Zentrum.
Dabei kam die Idee, dem Rad, dem Laufen im Rad zu entkommen und schon wurde es mir präsentiert – sichtbar – hörbar- greifbar. Warm, blumig und leicht windig präsentierte sich die Gegend um das Kloster und ich genoss es einzutauchen, in dieses sanfte Sein von Wiesen und Bergen und duftendem Wind.
Bereits am ersten Abend begannen wir mit unseren Sitzübungen, Schweigen und langsamem Gehen. Die Praxis des Schweigens in dem Fall – wir nennen es im Yoga “Kashta Mauna”. Ein Gelübde des Schweigens, als ein Vorsatz auch bewusst auf jegliche Körperkommunikation zu verzichten – keine Gestik, keine Mimik. Keine Medien – offline. Nichts. Gepaart dementsprechend mit Santosha (Zufriedenheit) zu üben, anzunehmen was ist, sich nicht aufzuregen. Anmerkung: Die zweite Form des Schweigens wird Vang Mauna genannt – das meint nur Verzicht auf Sprache. Wozu macht man das? Um Bewusstsein und Kontrolle über das zum Sprechen benutzte Organ zu bekommen und den Geist, Energiemengen zu bewahren und einen großen inneren Frieden zu erfahren. Das klingt interessant und erstrebenswert. Online mit allen Sinnen.



Tag 1 – Zur Samalm
Geweckt von Kurts Glocke 5 Uhr vorbereiten zur Morgenpraxis, beginnend mit Gehen im Kloster-Innenhof. Normalerweise schwimm ich entspannt um diese Zeit, hier gehen in verschiedenen Tempi und stoppen – innehalten. Wahrnehmen und spüren. Danach sitzen im Zendo, jeder Platz ist klar mit Namen ausgewiesen, alles vorbereitet und strukturiert. Zur Praxis kommt man immer ein paar Minuten früher, das begünstigt die Beruhigung des Geistes. Alle halten sich daran. Keine Ausnahmen. Die Klosterglocken und die Zenpraxis klangen im harmonischen Wechsel. Das Zeitgefühl ging mit verloren, es war auch uninteressant. Das Sitzen als solches wunderbar, manchmal gefühlt viel zu kurz – der Körper fühlte sich wohl, der Geist brauchte – wie immer – länger, um zur Ruhe zu finden.
Das erste Gehen für mich in der Wander-Schlange im Gänsemarsch den Berg hinauf. Widerstände durchatmen und aufgeben, abgeben und weitergehen. Was für ein lustiger Anblick unsere Wandergruppe wohl für die Tiere war, denen wir begegneten? Die Kühe schauten verdutzt irritiert und nahmen uns wohl als einen Wurm wahr, der mit 52 Beinen durch die Gegend stapft – non-verbal.
Auf der Samalm angekommen rasten – jeder für sich – Sein – mit dem Berg.
Kommt mit mir an einen einsamen Ort und ruht euch aus
Markus 6, 31
… in diesem Sinn.
Gegen Ende dieser Wanderung pausierten wir an einer kleinen Kapelle unweit eines Hofes, zumeist wie die Tiere in den Schatten zusammengehockt, saßen wir da. Jeder nur glücklich im Schatten zu sitzen. Ein Bauer kam und fragte woher wohin – Schweigen – er fragte: “Versteht’s ka deutsch”? Eine Antwort aus der Gruppe ja doch. Schweigen. Der Bauer: “Seid’s erschöpft. Na da ruht’s euch aus.” Und er ging friedvoll, wohlwollend ins Haus zurück.
Rückfahrt via Bus und essen im Kloster – danach Abendpraxis im Zendo und langsames Gehen (Effekt wie beim Tandava) in den Klostergängen bis 21 Uhr.
Nachtruhe bedeutete für mich zuvor etwas lesen in der Yoga Vashishta – derzeit die Geschichte von Gadhi Band 1 Kapitel V V:44.



Statistik: 14,9 km • 22935 Schritte • 625 Höhenmeter • 2:58 Std. reine Gehzeit

Tag 2 – Durch das Erschbaumertal zum Filmoorsattel
Gleiche Morgenpraxis, so tief geschlafen, dass ich keine Glocke gehört habe und glücklicherweise den Wecker auf 5:10 Uhr gestellt hatte. Das gewohnte Gehen, das gewohnte Sitzen, was teile ich mit von mir ohne zu sprechen? Die höchste Wirkung in den Übungen in der Regelmäßigkeit zu erkennen. Achtsamkeit beim Schuhe hinstellen beginnen lassen. Alles – jeder Handgriff.
Achte gut auf diesen Tag, denn er ist das Leben …




Eine Traumwanderung anstrengend – lohnend – belohnend, am Ende kühlend eintauchen in die Frische des Bergsees. Ich war am Ende mit meinen Kräften und bewunderte, dass es scheinbar nur mir so geht. Dem Tempo unter den Umständen der Wärme war ich nicht gewachsen und dennoch mit Atmen und Schritt für Schritt angekommen.
Im Kopf die 4 großen Gelübde – die täglich Rezitierten – wie durch einen Gong in der Vertiefung schwingend. Die Gnade des Sitzens und langsamen Gehens am Abend – geniessen. Alles setzt sich – Eintauchen in die Kost der Stille.
Zahllos sind die Lebewesen – ich gelobe sie alle zu retten
Grenzenlos sind eitle Verhaftungen – ich gelobe sie alle zu lassen.
Unzählbar sind die Tore der Wahrheit – ich gelobe sie zu durchschreiten.
Unübertroffen ist der Weg des Erwachens – ich gelobe ihn zu gehen.
Die 4 großen Gelübde


Statistik: 21,67 km • 33338 Schritte • 635 Höhenmeter • 3:18h reine Gehzeit
Tag 3 – Zur Öfenspitze
Geweckt von Kurts Glocke mit Haube und Jacke in den Innenhof und weiter gehen, Muskeln spüren und schnell gehen und schneller und noch schneller und ganz schnell, obwohl ich das heute gar nicht will und dann stehen. Spüren.
Später wieder sitzen im Zendo und das AUM tönen – auch ein täglicher Bestandteil der Morgenpraxis. Besonders fein in der Dämmerung “Brahma Muhurta” im Yoga genannt. Dabei tönt das A im Bauchraum, vom Wurzel- bis zum Nabelchakra. Das U im Brustraum vom Solar Plexus (Manipurachakra) bis zum Herzchakra (Anahata) und schliesslich das M vom Kehlchakra (Vishudda) bis zum Scheitelchakra (Sahasrara). Der Atem fließt mit dem Tönen ohne ihn anzuhalten – jeder im eigenen Tempo. Ein eigener kleiner Kosmos der dabei einander zugewandt entsteht.
Heute wieder erst ein Stück mit dem Bus (die Öffis sind ein Segen so gut und regelmäßig, wie sie fahren), dann zur Öfenspitze, ein paar Hindernisse am Tagesbeginn. Der Bus hält erst nach lautem “Stop”-Ruf, ein Auto fährt auf dem Wanderweg, aber dann geht alles, fließt alles hinauf zur Öfenspitze. Immer wieder kurze oder längere Pausen und diesmal Felder von Schwarzbeeren – so gut! Wir tauchen ein immer wieder in den Genuss!
Wir erreichen den Gipfel und ruhen aus umgeben von ganz viel herrlich blau blühendem Acotonicum napellus. Giftig zum einen und heilend zum anderen. Schauen in die Berge und lassen die (Gedanken-)Wolken ziehen.



Statistik: 14,66 km • 22548 Schritte • 465 Höhenmeter • 3:01h reine Gehzeit
Tag 4 – Durch das Ebnertal zu den Luggauer Böden
Glocke, welche Glocke nichts gehört – der Wecker tat seine Pflicht und rettete mich vor dem Zu-spät-kommen. Gefühlt kam nie jemand zu spät. Gezählt hab ich nie. Und wieder gehen.
Die frohe Botschaft für mich am Morgen: wir gehen ins Ebner Tal hinein, bis da können alle mit und dann hinauf den Wasserfallweg zu den Luggauer Böden. Ich sah eine Chance auf einen halben Tag Pause zum Kräfte sammeln für den letzten Tag. Der Talweg war fein und zog sich sich entsprechend lang, die Stelle des Ausstieges kam irgendwie nie und meine Nachfrage (das einzige mal das ich unterwegs gefragt habe – es war mir ein Anliegen) ergab, dass das für die Teilnehmer gilt, die nicht mehr können. Also übersetzt: nicht für mich – ich schaff das – klar. Ich schaffte das auch – und es war gut diesen Widerstand überwunden zu haben. Der Weg war steil und bot parallel phantastische Ausblicke und Einblicke. Dennoch es war der Tag des Widerstandes meines Geistes, alles wollte was anderes, permanent und erst am Abend zurückgekommen sitzend, wurde es ruhig, Atemzug um Atemzug – Schritt um Schritt.
Reflektion über Konditionierungen, Erwartungen, Ansprüche und das im Zauber der Berge, dann wieder Loslassen und weiter ruhig Atmen.




Statistik: 19,26 km • 29638 Schritte • 535 Höhenmeter • 4:25h reine Gehzeit
Tag 5 – Zur Kirchalm

Der letzte Tag an dem unsere farbige Menschenschlange sich schweigend durch die Langschaft bewegte. Inzwischen routiniert setzte jeder Schritt für Schritt, mein Geist hatte sich nach dem aufregenden 4. Tag vollständig beruhigt und war wahrscheinlich gelangweilt von der beharrlichen Beständigkeit von gehen, meditieren, gehened meditieren.
Gelassenheit, nichts mehr zu sagen haben, Frieden, Liebe, Einheit, Bewunderung, Akzeptanz, Freude.
Der Weg von der Kirchalm hinunter Richtung Eggen war immer wieder vom Anhalten, Stehen, Schauen, Atmen unterbrochen, die Stille war so präsent und nicht präsent im selben Moment – die laue Luft die Ahnung des Wetterwechsels schon enthalten. Es fühlte sich an wie vom Raum geküsst zu werden – eine tiefe Berührung. Ein Abschied von diesen Tagen in Dankbarkeit, ein Abschied vom Sommer in der Form, ein Hintergehen ins Tal zurück zu Allem, was uns sonst ausmacht und umgibt.
Nach dem Abendessen durfte das Schweigen gebrochen werden – ich wollte nicht wirklich – es war so gut. Eine Austauschrunde über die Woche schloss den Tag ab, etwas plaudern, Menschen, die man nie hat sprechen hören, mit Stimme wahrnehmen – reflektieren – teilen – auch das hat – natürlich – eine Qualität. Mit Achtsamkeit war es etwas ganz Besonderes an diesem Tag. Nicht nur, das wir nur wie ein Körper 6 Tage miteinander verbrachten – wir hatten nun auch die Option der Sprache zurück. Große Herzensfreude und Bereicherung.
Statistik: 16,3km • 25072 Schritte • 640 Höhenmeter • 4:17h reine Gehzeit
Am nächsten Morgen noch einmal die gewohnte Praxis begonnen mit Gehen ab 5.30, und sitzen im Zendo. Danach nahmen wir an diesem Tag aktiv an der Morgenmesse des Klosters teil – auch als Zeichen der Dankbarkeit, dass wir so liebevoll versorgt und willkommen waren mit unserer Praxis und uns das Kloster für diese Zeit Herberge und Raum bot Sein zu dürfen, in diese Erfahrung einzutauchen.
Auf der Erde zu gehen, das ist das Wunder.
Linchi
Ins Auto steigen und nach Hause fahren und weiter gehen. Schritt für Schritt.
DANKE für diese wunderbare Erfahrung für mich als Yogini mitgehen zu dürfen, und die perfekte, hingebungsvolle, mitnehmende Organisation durch die Zengruppe Wien unter Christoph Singer in tiefem Verbunden-SEIN.
Weiter gehen.
Und noch ein paar Life-Birds dieser Woche …

